Oft werde ich gefragt, warum ich an den Start gehe, obwohl ich immer auf den hinteren Platzierungen rumdümpele. Meine Antwort: weil ich’s kann! Und das ist gar nicht so selbstverständlich! 2008 war mein Schicksalsjahr, in dem sich alles für immer änderte. Ziemlich spontan und sehr dramatisch meldete sich meine Autoimmunerkrankung das erste Mal bei mir. Ich hatte wochenlange Gelenk- und Gliederschmerzen und konnte mich kaum bewegen. Auch mein Darm hat absolut verrückt gespielt. Es kam der Tag, da musste ich ins örtliche Krankenhaus und habe mehrere Tage nur geschlafen. Kurze Zeit später war ich so schwach, dass mein Vater mir erklärte, dass ich für einen Tag ins künstliche Koma versetzt werden muss, damit ich mich ein wenig erholen kann. Ich hatte mehr Angst als jemals zuvor!
Aus diesem einen Tag sind letztendlich zwei oder drei Wochen geworden und ich bin auch nicht im örtlichen Krankenhaus, sondern in der Aachener Universitätsklinik wachgeworden. Meine körperliche Kraft und mein mentaler Antrieb waren dahin, aber dafür hatte ich jetzt ein Special Feature in Form eines künstlichen Darmausgangs. Zudem machten meine Nieren nicht mehr mit und ich war einige Wochen dialysepflichtig. Aber wenigstens wusste man nun was ich habe: Morbus Wegener – oder in schlau – Granulomatose mit Polyangiitis. Fancy!
Als wenn das alles nicht genug gewesen wäre, bekam ich noch einen Milzinfarkt (ciao Milz), eine Lungenembolie und mein bisschen übriggebliebener Darm, wurde bei einer Punktion verletzt und durchstochen. Außerdem musste ich auf der Intensivstation einmal „zurückgeholt“ werden. Ich musste so viel wieder neu lernen: sitzen, stehen, gehen und anfangs sogar meine Bettdecke anheben. In der Zeit im künstlichen Koma meinten die Ärzte zu meinen Eltern, dass sie nicht davon ausgehen würden, dass ich jemals in der Lage sein werde, selbstständig Treppensteigen zu können.
Das wollen wir doch mal sehen!
Spätestens hier hätte ich meinen Kopf in den Sand stecken können, aber mit gerade einmal 20 Jahren wäre das für mich keine Option gewesen! Wahrscheinlich ist das auch mit 80 keine Option für mich. Ich habe lange gebraucht, meinen Kram auf die Reihe zu bekommen – die 20er sind ohnehin ein anstrengendes Jahrzehnt, indem viele noch ihren Platz in der Welt suchen. Die ersten 5 Jahre mit dieser Erkrankung waren die Hölle und ich habe mehr Zeit in Kliniken verbracht als Zuhause. Danach wurde es besser, aber Rückschläge gibt es bis heute unfassbar viele und ich weiß nie, wann es wieder losgeht: wieder Schmerzen, wieder eine Lungenembolie, wieder ein entzündetes Herz, wieder Krankenhaus und Operationen, wieder Ungewissheit. Das braucht ein starkes Mindset, ein grandioses Umfeld und möglichst große Ziele! Und da kommt der Triathlon ins Spiel!
Wenn man von etwas träumt, dann kann man es auch schaffen! Und wenn man die Zeit mit diesen Träumen verbringt, rückt das Negative automatisch in den Hintergrund und macht Platz für Wachstum und Entfaltung. Klar ist natürlich, dass ich in diesem Leben keinen Pokal mehr gewinnen werde, aber das muss ich auch nicht. Ich möchte einfach immer wieder meine eigenen Grenzen verschieben und vor allem Spaß an allem haben! Gesundheitlich, privat und sportlich ist mein Motto: Den Blick immer in Richtung Sonne!
Richtig schwimmen zu lernen hat mir so viel gegeben und bedeutet für mich absolute Freiheit. Ein richtig tolles Fahrrad zu fahren macht unglaublich viel Spaß und man lernt Orte kennen, die man sonst nie kennengelernt hätte. Laufen ist für mich körperlich und mental immer noch die größte Herausforderung, der ich mich in diesem Jahr intensiv stellen werde. Dem Triathlon verdanke ich wirklich viel – vor allem einige meiner schönsten Erinnerungen und viele Freundschaften!
Deshalb hoffe ich so sehr, dass auch ihr anderen „einfach“ versucht, euren Zweifeln weniger Raum zu lassen und euch auch große Dinge zutraut! Selbst wenn man als letztes die Ziellinie überquert, tut das nicht weh und es passiert auch nichts Schlimmes! Versprochen! Und mit diesem Mindset starte ich dieses Jahr das erste Mal auf der OD, beim Frankfurt City Triathlon. Außerdem werde ich meinen ersten Marathon laufen, denn ich war eine der Glücklichen, deren Namen in der Lotterie des New York Marathons gezogen wurde. So, und jetzt sag mir mal einer, dass es kein Schicksal gibt!
Das letzte Mal als ich „das wird mein Jahr“ laut ausgesprochen habe, war 2008 und wenige Monate später änderte sich mein Leben für immer – deshalb werdet ihr diesen Satz nicht von mir hören, aber in meinen Gedanken steht er auf einer riesigen Leuchtreklame!
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